Samstag, 30. Juni 2012

Was aus der Paulskirchenverfassung wurde

Die Paulskirchenverfassung war die erste Verfassung für das gesamte Deutschland, die demokratisch beschlossen wurde. Sie wurde von der Frankfurter Nationalversammlung in den Jahren 1848 und 1849 erarbeitet und am 28.03.1849 im Gesetzblatt verkündet. Das durch sie definierte politische System und insbes. der Grundrechtekatalog prägten die späteren deutschen Verfassungen.

Zum Staatsoberhaupt, dem "Kaiser der Deutschen", wurde der preußische König Friedrich Wilhelm IV. bestimmt, der die Kaiserkrone jedoch mit Berufung auf sein Gottesgnadentum ablehnte (diese Kaiserkrone kam jedoch aus dem Volk). Durch das Fehlen dieses wichtigen Bausteins des Paulskirchensystems konnte die Verfassung niemals wirkliche Rechtskraft entfalten. Die anschließend ausgerufene Reichsverfassungskampagne wurde gewaltsam niedergeschlagen. Rein praktisch gesehen handelte es sich hierbei um einen Militärputsch der deutschen Fürsten, da die Verfassung rechtlich gesehen in Kraft war.

Die Verfassung wurde nicht formell aufgehoben. Doch da die durch sie definierten politischen Strukturen nie realisiert werden konnten und sich auch niemand mehr nach ihr richten wollte, ist die Verfassung gescheitert und nicht mehr gültig.
Sie ist auch für den 1867/71 gegründeten und bis heute existierenden deutschen Nationalstaat nicht mehr gültig, da dieser sich als Neugründung versteht und sich nicht auf Gesetze (letztlich ist eine Verfassung auch nur ein Gesetz) beruft, die in der Zeit des Deutschen Bundes erlassen wurden.
Und selbst wenn der Norddeutsche Bund sich auf Gesetze aus der Zeit des Deutschen Bundes berufen hätte, hätte die Paulskirchenverfassung keine Wirkung mehr gehabt, da es nicht zwei Gesetze für etwas geben kann. Wie beim Grundgesetz und der Weimarer Verfassung gilt dann einfach das neuere Gesetz. Eine alte Verfassung muss nicht aufgehoben werden, wenn eine neue gelten soll. Die verfassungsgebende Gewalt (egal, ob sie demokratisch legitimiert ist oder nicht) definiert ganz einfach, dass jetzt dieser neue Zustand gilt.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Nachruf HebinhoTdF

Wie heute bekanntgegeben wurde, ist HebinhoTdF, der Gründer und Administrator des Anti-Reichsdeppen-Forums am 6. Juni 2012 nach einer Operation verstorben.

Ich wünsche den Hinterbliebenen mein aufrichtigstes Beileid und viel Kraft, diese schwere Zeit durchzustehen.

Hebinho, ich kannte dich nur kurz, aber das hat gereicht, um zu merken, dass du ein toller Mensch warst. Ich werde in deinem Sinne weiterkämpfen.

Sonntag, 17. Juni 2012

Wie erkennt man Neonazi-Denke?

Es ist nicht meine Art ist, einfach hier längere Texte reinzukopieren, die ich irgendwo mal gelesen und für gut befunden habe. Aber es gibt einen Text aus kewils nicht mehr existierendem Blog "Fact - Fiction", den ich sehr gut fand und der es verdient, weiter verbreitet zu werden. Er trifft zudem auch auf diverse Reichsideologen und Selbstverwalter zu. Der Text erschien ursprünglich am 28.02.2009 und ist noch über das Internet-Archiv verfügbar (Ergänzung 14.10.2013: ich distanziere mich aufs Schärfste von dem, was kewil heutzutage auf PI schreibt, dieser Artikel über Neonazis war jedoch gut).
Wie erkennt man Neonazi-Denke?

Es ist nicht ganz einfach, neonazistische, rechtsradikale oder rechtsextreme Gedanken auseinanderzuhalten. Was bedeuten diese Worte schon? Es soll auf die Schnelle genügen, damit solche Leute zu bezeichnen, die rechts vom konservativen Denken stehen - wobei ja bekanntlich bestritten wurde, daß es in der BRD überhaupt noch Konservative gäbe. Sei’s drum:

Ein Neonazi ist erstens immer rückwärts gewandt. Er kämpft die Schlachten der Vergangenheit. Deshalb darf an Hitler nicht alles schlecht sein, Churchill ist mindestens der gleiche Verbrecher. Der Neonazi blendet aus, daß der größte Feldherr aller Zeiten ganz allein aus freien Stücken den Zweiten Weltkrieg entfesselt hat. Dabei wird mit allerlei Gehirnverrenkungen jede diplomatische Note, jedes Kinkerlitzchen und jede Rede untersucht, zehnmal umgedreht und als mögliche Entschuldigung für H. gewertet.  Natürlich hätte vor 70 Jahren manches anders laufen können, der Zweite Weltkrieg mußte nicht notwendigerweise 1939 gestartet werden, auch 1940 oder 1941 wäre möglich gewesen! Aber an der Alleinschuld und dem Willen Hitlers in dieser Frage rüttelt ein Konservativer nicht, ein Neonazi immer! (Dazu in ein paar Tagen mehr!)

Neonazis sind nicht unbedingt Leugner der Judenvernichtung, aber sie kritteln laufend an den Zahlen herum und möchten sie vermindert sehen, seien es alle Opfer oder nur die von Auschwitz oder die aus dem Oberamt Horb. Vielleicht ist das sogar ein schöner, moralischer Zug der Neonazis, denn sie möchten die Schande Deutschlands verringern, die sie seelisch nicht ertragen. Nur leider kommen alle seriösen Historiker etwa auf dieselben Zahlen: zwischen 5 und 6 Millionen ermordete Juden, und so und soviele andere Opfer! Alle Zahlen stehen seit Jahrzehnten fest. Mit seriösen Historikern meine ich übrigens solche, die vor 1968 ihren Professor gemacht haben, den Achtundsechzigern kaufe ich kein Buch ab!

Der Neonazi sieht sich und Deutschland als Opfer. Warum kommen die deutschen Verbrechen an die große Glocke, und über Dresden spricht keiner? Waren Churchill und Bomber-Harris nicht dieselben Mörder wie Luftmarschall Göring oder SS-Himmler? Der typische Neonazi übersieht an dieser Stelle nur die schlichte Tatsache, wer den Krieg und die großflächigen Sauereien gestartet hat. Nach der Genfer Konvention ist natürlich die Bombardierung Dresdens oder Würzburgs oder Pforzheims ein Verbrechen. Aber ohne Hitler hätte es weder Bomber Harris noch seine Flächenbombardements auf Zivilisten gegeben. Auch auf Roosevelt hacken Neonazis gern herum! Ja, er war nicht deutschfreundlich, aber es war der größenwahnsinnige Braunauer, der Amerika freihändig den Krieg erklärt hat, und nicht umgekehrt!

Auch  die Nachkriegszeit hat es in sich. Jeder Neonazi operiert todsicher irgendwann mit den Rheinwiesenlagern! Typisches Beispiel etwa hier! Da hatten die Alliierten über eine Million deutsche Kriegsgefangene in der Zeit vom Frühjahr bis Spätsommer 1945 notdürftig im Freien untergebracht. Es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, denn es existierten keine Fünfsternehotels für soviele Leute, und es war auch nicht Aufgabe der US-Armee, angesichts der Massenkapitulation der Wehrmacht hier ausreichend Baracken oder sonstwas im voraus hingestellt zu haben. Die Alliierten waren schlicht überfordert. Die Zahl der Umgekommen betrug um die 1 Prozent! Was ist das eigentlich gegen die brutale Ausrottung von Millionen kriegsgefangener Sowjetsoldaten durch die Nazis, die man im russischen Winter mitten in der Steppe ohne Kleidung, Essen und Trinken als Untermenschen verrecken ließ. Über 2 Millionen gefangene Rotarmisten insgesamt wurden von den deutschen Herrenmenschen als Ungeziefer bestialisch beseitigt! Der Konservative weiß das und hält die Rheinwiesenlager für einen Muckenschiß dagegen!

Witzigerweise werden von den Neonazis eher die Amis als die Russen angegriffen. Sicher, die Vertreibung von 12 Millionen Deutschen aus Polen und der Tschechei wird von den Neonazis nicht verschwiegen und meist gegen die Polen in Stellung gebracht. Aber irgendwie wird man den Eindruck nicht los, als ob dem klassischen neonazistischen Denker die stalinistischen Russen lieber sind als die kapitalistischen Amerikaner! Dabei gibt es überhaupt nichts daran zu deuteln, daß es den Menschen in der amerikanischen Zone hundertmal besser ging als in der SBZ! Der Neonazi nimmt das einfach dumpf nicht zur Kenntnis!

Ganz im Gegenteil! Er beklagt die Umerziehung in den Westzonen der Nachkriegszeit, Stalin, die GPU, das DDR-Marionettenregime werden ausgeklammert, dafür Adenauer und seine Minister und Beamten als willige Hampelmänner von Truman oder Eisenhower dargestellt! Aber die ersten Regierungen und Parteien der BRD bestanden durchaus noch aus Männern, die meisten Kriegsteilnehmer oder Kriegsopfer, und nicht aus feigen Memmen oder Kuscheltieren. Der Rechtsradikale nimmt das einfach nicht zur Kenntnis!

Und er spinnt den Faden weiter. Bis auf diese Minute werden wir nach Ansicht von Neonazis von den USA beherrscht und wirtschaftlich ausgesogen. Deutscher Fleiß und Schweiß fließt an die Wallstreet und an die bösen jüdischen Kapitalisten dort. Es gibt Geheimabkommen, nach denen deutsche Bundeskanzler jeden Satz von Washington genehmigen lassen müssen, sinistre Treffen von Politikern (Atlantikbrücke etc.) - die immer wieder Genannten sind lächerlicherweise alle zwischen 70 und scheintot -, auf denen alles und jedes festgelegt wird. Eine Weltregierung! Wir sind unfrei! Wir sind Sklaven! Auf diesen Dreck antworte ich gar nicht, meine politischen Feinde sind jedenfalls die Rotgrünen und nicht die USA oder Israel!

Soweit die traurige Vergangenheit. Und nun zur ebenfalls traurigen Zukunft! Der Neonazi-Denker hat das Gefühl, alles muß anders werden, er weiß nur nicht wie. Deutschland den Deutschen, okay! Und die Wirtschaft? Da haben sie keine Ahnung und keinen Plan! Nur, es muß was anderes her! Deutschland möge vorzugsweise allein, ohne Bündnispartner, in der Welt herumfuhrwerken oder autark zu Hause bleiben, oder irgendwie so! Fragt man genauer nach, weiß der Neonazi nicht, wie das alles funktionieren soll! Sind die Russen unsere Freunde oder die Iraner, die ebenfalls unter dem “Judenknacks” leiden? Was machen wir mit den Franzosen, den Spaniern oder den Dänen? Sind das befreundete Nationen oder neutrale oder gar feindliche? Der typische Neonazi hat auf nichts eine Antwort! Er weiß nur, daß es so, wie es ist, falsch sein muß! (Auch die JF hat übrigens keine außenpolitische Vision!)

Und so bleibt dem typischen Neonazi-Denker eigentlich nur die Traurigkeit, eine Art Saudade, die portugiesische Form des Weltschmerzes. Der Neonazi ist tieftraurig, wenn er an der Vergangenheit, an den Phantomschmerzen des von den Feinden verkleinerten Reiches leidet; daß es von Adolf versaubeutelt wurde, bleibt ausgeblendet! Er ist traurig, wenn er an die multikulti Gegenwart denkt, wobei der eine oder andere sogar vom Islam angetan ist, und der Neonazi-Denker schaut schmerzvoll in die Zukunft, für die er leider keine Rezepte kennt.

PS 1: Die obigen Beobachtungen habe ich alle im Kommentarbereich dieses Blogs gesammelt. Den größten Käse lösche ich hin und wieder. Es wäre mir aber durchaus recht, wenn manche vor dem Schreiben erstmal ihr Hirn einschalten könnten, dann müßte ich nichts streichen. Dies ist nämlich kein Neonazi-Blog, auch kein verkapptes!

PS 2: Aus dem traurigen Hintern der JF, der ich gar kein Nazitum unterstellen will, kommt ebenfalls nie ein fröhlicher Furz. Kein Witz, keine Satire, keine Ironie, nur weinerliches Klagen und Jammern. Ich habe bei der Lektüre der JF noch nie lachen müssen! Könnte man das nicht ändern?

Freitag, 1. Juni 2012

Die deutschen Verfassungen und wie sie ratifiziert wurden

Um dem Grundgesetz seine Legitimation als deutsche Verfassung abzusprechen, führen Reichsideologen häufig an, dass dieses nicht in einer Volksabstimmung legitimiert wurde. Die Wahrheit ist jedoch, dass in der deutschen Geschichte keine gesamtdeutsche Verfassung jemals direkt durch eine Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde (zur Verfassung der DDR von 1968 siehe weiter unten).
Außerdem ist es so, dass eine Verfassung gar nicht demokratisch legitimiert sein muss, so wurde bspw. die erste Verfassung Preußens von 1848 allein durch den König eingesetzt.

Es folgt eine Auflistung der verschiedenen deutschen Verfassungen und wie sie ratifiziert wurden. Die Verfassungen der Bundesländer wurden teilweise in Volksabstimmungen angenommen (so z.B. in Hessen am 01.12.1946 und in Bayern am selben Tag), jedoch beziehe ich mich hier ausschließlich auf die gesamtdeutschen Verfassungen und die Verfassungen der DDR.
  • Paulskirchenverfassung (1849):
    Die Paulskirchenverfassung war die erste Verfassung für das gesamte Deutschland, die demokratisch beschlossen wurde. Sie wurde von der Frankfurter Nationalversammlung in den Jahren 1848 und 1849 erarbeitet und am 28.03.1849 im Gesetzblatt verkündet. Ratifiziert wurde sie ausschließlich durch die Nationalversammlung.
    Vollständige Rechtskraft konnte diese Verfassung nie entwickeln, da der preußische König die Kaiserkrone nicht annahm und die anschließenden Aufstände (Reichsverfassungskampagne) gewaltsam niedergeschlagen wurden. Es hat sich also niemals jemand an diese Verfassung gehalten.
  • Bismarcksche Reichsverfassung (1871):
    Die Bismarcksche Reichsverfassung von 1871 definierte das politische System des Deutschen Kaiserreiches von 1871 bis 1918. Sie wurde 1871 über den normalen Weg der Gesetzgebung in Kraft gesetzt (Reichstag und Bundesrat stimmten dem Gesetz zu und der Kaiser fertigte es aus).
  • Weimarer Reichsverfassung (1919):
    Die Weimarer Reichsverfassung wurde von der am 19.01.1919 vom Volk gewählten Weimarer Nationalversammlung ausgearbeitet und von dieser zum 14.08.1919 in Kraft gesetzt.
  • Grundgesetz (1949):
    Das Grundgesetz wurde vom sog. Parlamentarischen Rat ausgearbeitet, dessen Mitglieder von den Landtagen bestimmt wurden. Das Grundgesetz wurde nach Abschluss der Beratungen durch die westdeutschen Landtage in Kraft gesetzt.
    Als 1990 die erste freie Volkskammer in der DDR gewählt wurde, entschieden sich die meisten Bürger durch die Wahl der entsprechenden Parteien für einen schnellen Beitritt gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes und damit eben für das Grundgesetz und nicht für eine neue Verfassung gemäß Artikel 146.
    Auch wenn das Grundgesetz nie als gesamtdeutsche Verfassung konzipiert war, ist es jedoch 1990 zu einer solchen geworden.
  • Verfassung der DDR (1949):
    Mit der Verfassung von 1949 erhob die DDR noch den Anspruch, für das gesamte deutsche Volk sprechen zu können. Auch diese Verfassung wurde nicht in einer Volksabstimmung legitimiert, sondern von der sog. Provisorischen Volkskammer in Kraft gesetzt. Die Provisorische Volkskammer ging aus dem Zweiten Deutschen Volksrat hervor, der wiederrum vom direkt gewählten Dritten Deutschen Volkskongress gewählt wurde (dieser Volkskongress wurde übrigens nach dem DDR-typischen Einheitslisten-System gewählt).
  • Verfassung der DDR (1968/74):
    Die Verfassung der DDR von 1968 wurde als einzige deutsche Verfassung in einer Volksabstimmung angenommen. Sie konnte jedoch jederzeit von der Volkskammer ohne weitere Volksabstimmung geändert werden, geschehen 1974 und 1989/90. Jedoch erhob diese Verfassung im Gegensatz zu der von 1949 keinen Anspruch mehr, für das gesamte deutsche Volk zu gelten - dennoch führe ich sie hier der Vollständigkeit halber auf.