Montag, 19. Mai 2014

Kurz und knapp

In letzter Zeit habe ich hin und wieder YouTube-Videos von Peter Frühwald kommentiert und dabei mit diversen Reichsideologen diskutiert. Dabei musste ich mich auch mit diversen reichsdeutschen Themen beschäftigen, in die ich immer nur kurz reingesehen, mit denen ich mich jedoch nie näher beschäftigt hatte. Da ich hier schon länger nichts mehr geschrieben habe, habe ich mich dazu entschlossen, einige dieser Dinge hier mal kurz zu erläutern.

Personalausweise nur für Staatenlose?

Diese Thematik ist anscheinend bei Reichsideologen momentan sehr beliebt. Das Thema wird u.a. in diesem Blog-Artikeln sehr gut erklärt:
Um es zusammenzufassen: Es handelt sich hierbei um eine Fehlinterpretation eines Artikels eines Abkommens, der in Deutschland gar nicht angewendet wird. Der besagte Artikel 27 des Über­ein­kom­mens über die Rechts­stel­lung der Staa­ten­lo­sen lautet nämlich:
Personalausweise
Die Vertragsstaaten stellen jedem Staatenlosen, der sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet und keinen gültigen Reiseausweis besitzt, einen Personalausweis aus.
Reichsideologen folgern aus diesem Artikel, dass Deutsche Staatenlose sind, da sie vom deutschen Staat Personalausweise ausgestellt bekommen haben. Reichsideologen hassen Personalausweise, weil sie u.a. annehmen, dass sie dadurch zum "Personal" der "BRD GmbH" werden. Stattdessen fordern sie oftmals "Identitätsausweise". Dass Identitätsausweise und Personalausweise dasselbe sind, ignorieren sie.
Der besagte Artikel des Übereinkommens spricht in der schweizerischen und der österreichischen Fassung übrigens auch von Identitätsausweisen. Warum das so ist, konnte mir noch kein Reichsideologe erklären.

Und um noch eins draufzusetzen, findet man unter obigen Link zur deutschen Fassung des Übereinkommens noch das Gesetz, welches das Übereinkommen in Deutschland in Kraft setzt. Dort heißt es in Artikel 1:
2. Artikel 27 des Übereinkommens wird nicht angewandt.
Der besagte Artikel zu den Personalausweisen für Staatenlose ist in Deutschland überhaupt nicht in Kraft. Auch dazu habe ich noch keine Erläuterung von einem Reichsideologen gehört.

Staatsgerichte wurden abgeschafft?

In Deutschland wird seit 1879 die Gerichtsverfassung durch das sog. Gerichtsverfassungsgesetz geregelt. Dieses Gesetz enthielt bis 1950 den § 15, der lautete:
Die Gerichte sind Staatsgerichte.
Die Privatgerichtsbarkeit ist aufgehoben; an ihre Stelle tritt die Gerichtsbarkeit desjenigen Bundesstaates, in welchem sie ausgeübt wurde. Präsentationen für Anstellungen bei den Gerichten finden nicht statt.
Die Ausübung einer geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten ist ohne bürgerliche Wirkung. Dies gilt insbesondere bei Ehe- und Verlöbnißsachen
Dieser Paragraph schaffte u.a. Kirchen- und Ständegerichte ab und sorgte dafür, dass die Gerichtsbarkeit komplett beim Staat lag. Es gab auch vorher staatliche Gerichte, z.B. das Preußische Obertribunal, mit § 15 GVG wurden lediglich alle anderen Gerichte abgeschafft. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. Januar 1950 wurde der Paragraph aufgehoben.

Aufgrund dieser Aufhebung folgern Reichsideologen, dass die deutschen Gerichte keine Staatsgerichte, sondern nur noch Privat- oder Handelsgerichte (was aber ein Widerspruch ist, da die Handelsgerichtbarkeit den Landesgerichten anvertraut ist, siehe § 93 GVG) sind.

Der Grund, weshalb dieser Paragraph aus dem GVG gestichen wurde, ist ganz einfach die Tatsache, dass er überflüssig geworden ist. Das Grundgesetz enthält nämlich in Artikel 92 eine Bestimmung, die die rechtsprechende Gewalt den Bundes- und Landesgerichten anvertraut:
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
Der besagte Paragraph des GVG ist nicht erst seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes überflüssig, Artikel 103 der Weimarer Verfassung enthielt die gleiche Bestimmung:
Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird durch das Reichsgericht und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
Grundgesetze nur für besetzte Staaten?

Jeder Reichsideologe spricht dem Grundgesetz seine Rechtmäßigkeit ab. Manchmal wird als Grund angeführt, dass "Grundgesetze" keine Verfassungen seien, sondern ein vorübergehendes Gesetz, dass von Besatzern gemäß der Haager Landkriegsordnung (HLKO) erlassen wurde. Dass in der HLKO dieses Wort überhaupt nicht vorkommt, wird ignoriert. Dass "Grundgesetz" einfach nur ein anderes Wort für "Verfassung" ist (hat Reichling z.B. dem gern von Reichsideologen zitierten Creifelds entnommen), wollen die Reichsideologen nicht wissen.
Dass auch andere Staaten ihre Verfassung "Grundgesetz" genannt haben, wird von Reichsideologen genauso ignoriert. Im entsprechenden Wikipedia-Artikel befindet sich eine umfangreiche Liste. Dass diverse alte deutsche Staaten wie das Heilige Römische Reich (es hatte verschiedene Grundgesetze), Oldenburg, Hannover und Reuß jüngere Linie ein Grundgesetz hatten, wird genauso ignoriert wie beim Vatikan, Ungarn (seit 2011), Dänemark, Finnland und vielen weiteren - und die Souveränität dieser Staaten dürfte zweifellos vorhanden sein.